Menü: Melli: liebes Fraule
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Liebes Fraule,

wenn Du das liest, dann weißt Du gleich, dass es mir gut geht. Ich bin mit meiner Ferienfamilie jetzt schon eine Woche in der Stadt. Es ist eine kleine Stadt, so wie Wangen. Trotzdem müssen wir jeden Morgen 10 Minuten laufen, bis wir aus dem bebauten Gebiet heraus sind. Dabei müssen wir die stark befahrene Schillerstraße überqueren. Die Frau nimmt mich dann an die Leine. Sie sagt, das geht nicht anders, denn es donnern andauernd Autos und Lastwagen vorbei und die könnten mich, wenn ich einen falschen Schritt mache, über den Haufen fahren. Wir bleiben am Straßenrand stehen und die Frau drückt auf einen Kasten. Dann dauert es eine Weile bis die Frau sagt: Jetzt können wir rüber. Manchmal leuchtet für uns das grüne Licht auf, aber wir können trotzdem nicht über die Straße, weil die Autos noch fahren obwohl sie schon rot haben. Die Frau sagt, die dürfen nur 30 fahren, aber daran halten sich die meisten nicht, weil sie es morgens um halb sieben immer eilig haben.

Sonntag vor einer Woche haben meine Gastleute gesagt, ich darf montags mit. Das hat mir aber viel zu lange gedauert, bis sie mich mittags abholen haben wollen, deshalb bin ich zu denen gegangen. Hätt ja sein können, dass sie mich vergessen … Es ist eine ewig lange Fahrt gewesen bis hierher und heiß ist es auch gewesen. Unterwegs haben wir eine Vesperpause eingelegt und sind eine Runde im Wald spazieren gegangen.
 
Die Stadt hat viele Geräusche und Gerüche, die mir neu sind. Gestern Morgen hab ich mich sehr erschrocken. Die Frau hat gesagt, das sei ganz harmlos, nur ein Rollladen, den jemand direkt neben uns hochgezogen hat, aber für eine Landpomeranze wie mich eben neu. Viele Hunde wohnen hier am Ort, aber die meisten sind komisch. Oft werde ich angebellt. Ich tu dann einfach so als ob ich den Beller nicht sehe. Das ärgert den dann noch mehr.
 
In den Weinbergen ist es schön; es hat Hasen und Rehe da. Wir haben auch schon welche gesehen, nicht nur gerochen. Wenn ich mein Geschäft mache, nimmt die Frau eine Plastiktüte und sammelt meine Hinterlassenschaft ein. Die trägt sie dann bis zum nächsten Mülleimer. Das machen fast alle Leute hier so, sonst sähe es wüst aus bei den vielen Hunden.
 
Manchmal gehen wir in den Wald. Zuerst müssen wir mindestens eine Viertelstunde mit dem Auto fahren. Nicht überall fließt ein Bach durch den Wald. Deshalb nimmt die Frau eine Flasche Wasser mit. Wenn ich dann Durst habe, nimmt sie eine Plastiktüte und schüttet von dem Wasser hinein. Ich darf dann Wasser aus der Tüte schlabbern. Wasser to go – sozusagen. Die Frau trinkt immer aus der Flasche. Im Wald wachsen viele süße Brombeeren. Wir essen beide davon, immer wieder. Die Frau meint, ich könnte doch versuchen, die selber zu pflücken, anstatt zu warten bis sie mir welche serviert. Aber das mach ich nicht. Ich weiß genau, dass die Ranken stachlig sind. Hin und wieder trete ich versehentlich drauf – das piekst ganz ordentlich.
 
Abends sitzen die Leute manchmal vor einem Flimmerkasten. Ich schlafe dann meistens. Gestern Abend habe ich Füchse bellen gehört. Ich bin gleich aufgestanden und hab nachgesehen, ob die draußen im Garten sind. Aber da ist nichts gewesen. Das Gebell muss aus diesem Flimmerkasten gekommen sein. Ich bin da hin, der Kasten hat aber nicht nach Fuchs gerochen, also da war kein Fuchs drin.
 
Wir gehen jeden Tag 10 km. Die Frau sagt, sie hat schon abgenommen. Dass ich auch abgenommen habe, das glaubt sie aber eher nicht …

Herzliche Grüße von Melli.