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Alltags-Geschichten
Der Morgen danach (07/2011)
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Die Sonne scheint – Zeit um aufzustehen. Das ist nicht ganz einfach heute Morgen. Mein Körper will mir einfach nicht gehorchen. Der Rücken schmerzt, in den Knien knackt es, in Oberschenkeln und Waden macht sich ein seltsames, sehr unangenehmes Ziehen bemerkbar und außerdem kann ich Schultern und Ellbogen kaum bewegen. Vorsichtig versuche ich, mich nach Art der Tiere in alle Richtungen zu strecken. Dann der Stresstest: die Treppe hinunter. Die Knie wackeln – ich muss mich am Geländer festhalten.
Vor dem Haus ist der Frühstückstisch gedeckt und es duftet herrlich nach Kaffee. Essen und Trinken erhalten bekanntlich den Leib und heben die Stimmung. Sie lassen auch mich meine körperlichen Unzulänglichkeiten fast vergessen. Als ich vom Frühstückstisch aufstehe, kommt der Gedanke auf, noch ein paar Stunden liegend im Bett zu verbringen. Ich entscheide mich anders. Vielleicht wäre ich gestern gut beraten gewesen, nach dem Frühstück gleich wieder zu schlafen. Stattdessen ging ich, bewaffnet mit Eimer, Rechen und Mineralwasser, in den Wald, Heidelbeeren sammeln, angetan mit langer Hose, dichter NATO-olivfarbener Jacke, Mütze und Wanderschuhen, wegen der Zecken, Schnaken und Bremsen und das bei wenigstens 25° im Schatten. Es ist heuer nicht viel zu holen, sagte einer meiner Nachbarn. Und so war es auch. Vier Stunden verbrachte ich abwechselnd in gebückter Haltung, auf den Knien oder in der Hocke, um meinen Eimer zu füllen. Daheim mussten die Früchte und die Gläser gewaschen werden, bevor ich Marmelade kochen konnte. Ergebnis: ca. fünf Liter Heidelbeerkonfitüre mit einem Fruchtgehalt von mindestens 80%, abgefüllt in zehn Gläser verschiedener Größe. Und in etwa zwei Wochen sind bestimmt auch die Preiselbeeren reif … |
Piep! (05/2011)
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Wo bloß Mama und Papa so lange bleiben? Ich habe Hunger! Den Hals kann man sich da verrenken, beim Kucken, ob sie nicht bald kommen. Und am Ende kommen sie immer aus derselben Richtung. Ich zwänge mich so weit wie möglich durch die Pforte und sperre meinen Schnabel sperrangelweit auf, dann bin ich der Erste, der etwas vom Essen abbekommt. Dabei muss ich höllisch aufpassen, dass ich nicht hinausfalle. Die Nachbarin von gegenüber sagt, wenn das passiert, frisst mich die Katze. Das ist so eine dreifarbige, die immer durch die Gegend schleicht und Mäuse im Maul hat. Gestern war’s gefährlich, da kam ein Sperber und wollte mich packen. Die Nachbarin hat das gleich bemerkt und ihn weggescheucht. Mama und Papa ist glücklicherweise auch nichts passiert!
Im Nachbarhaus wohnt eine andere Familie – keine Verwandten. Wir wissen nicht, wie die Herrschaften heißen. Baumläufer, Rotschwanz oder Meise jedenfalls nicht, hat die Frau von gegenüber gesagt, vielleicht Sperling. Rausschauen tut keiner, nur die Eltern fliegen immer ganz schnell hin und her - mindestens so oft wie meine. Manchmal kommt ein Onkel vorbei und schaut sich alle Häuser an. Zu essen hat er aber nie etwas dabei. Und in eins der beiden leeren Häuser einziehen, will er anscheinend auch nicht. Ich glaube, der ist noch Single.
Ob ich es mal wagen soll, hinauszugehen? Mama und Papa landen immer auf diesem Ansitz, wenn sie kommen. Das ist nicht weit, höchstens zwei Schritte. Aber dann haben Mama und Papa keinen Platz, wenn sie mit dem Essen kommen. Ich denke, ich bleibe vorerst mal, wo ich bin. Mama drängt sich immer an mit vorbei ins Haus. Putzen - sagt sie und nimmt einen Schnabel voll Müll mit. Wo sie den hinbringt, weiß ich nicht.
Diese Nachbarin von gegenüber ist schon ein bisschen seltsam. Immer wieder taucht sie hinter diesem schwarzen Kasten auf, der auf drei Beinen steht, und dann macht es klack. Ein Foto, sagt sie, will sie von mir ins Internet stellen, dann würde ich vielleicht ein Star. Dabei hat Mama gesagt, ich sei einer.
Huch, jetzt kommt Papa! Ich darf meinen Einsatz nicht verpassen!
Piep an den Rest der Welt …
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Entsorgt (04/2011)
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Weggeworfen habe ich sie, entsorgt in der Tonne für Plastik, die etwa 200 gehorteten Blumentöpfe, in welchen Pflanzen üblicherweise verkauft werden. Irgendwo muss man schließlich mit dem Entrümpeln anfangen und im Gewächshaus beanspruchten sie viel Platz im Regal. Tomaten, Zucchini und Gurken ziehen lohnt sich nicht, wenn man nur wenige Pflanzen braucht. Deshalb kaufte ich die Setzlinge im letzten Jahr beim Gärtner. Die Ernte war eine herbe Enttäuschung: Die Tomaten hatten harte Schalen und schmeckten eher nach Wasser als nach Tomate – ganz so, wie man das aus dem Supermarkt gewohnt ist, weder aromatisch noch süß. Und so kam es, dass ich während unseres letztjährigen Urlaubs im Spätsommer jeder gekauften Frucht, die unserem Tomatengeschmack entsprach, Samen entnahm. Ausgesät habe ich Ende Februar in Kisten auf der Fensterbank und so wie es aussieht, ist jedes Körnchen aufgegangen. Etwa 80 Tomatenpflanzen warten nun darauf, dass sie in ein eigenes Töpfchen umziehen dürfen. Die 50 bis 60 Pflanzen, für die im eigenen Garten kein Platz ist, wegzuwerfen, kommt überhaupt nicht infrage. Ich bin heute zum Gartenmarkt gefahren und habe Blumentöpfe gekauft zu 41 Cent das Stück. Ich werde jedes Pflänzchen in ein Töpfchen setzen und ihm einen Schaschlikstab als Stütze spendieren. Die Setzlinge will ich an interessierte Abnehmer in der Familie und im Bekanntenkreis verschenken ... |
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